MENSCHLICHKEIT. Das grüne Festival #5

  • 05.09.21 - 18:00 Uhr, Christuskirche Hannover
  • Programm
  • Info
  • Giovanni Gabrieli (1557-1613), Canzon primi toni à 8
    Sacrae Symphoniae: Sonata Pian e Forte

    Sergej Newski (*1972), "Stufen der Ideen" (2021) für Sprecher und 20 Solostreicher (UA) 

    Ludwig van Beethoven (1770-1827), Violinkonzert D-Dur op.61 

    Alina Pogostkina. Violine
    Mathias Max Herrmann. Sprecher
    musica assoluta
    Thorsten Encke. Dirigent 

  • Ludwig van Beethoven, Violinkonzert op. 61

    Nach einigen nur fragmentarisch überlieferten Skizzen zu einem früheren Violinkonzert ist das Konzert op. 61 in D-Dur Beethovens einziges vollendetes Werk dieser Gattung. Um 1806 geschrieben, fällt es in die mittleren Wiener Jahre Beethovens: sein Gehörleiden hatte sich bereits bemerkbar gemacht, sein langjähriger Mäzen Fürst Karl Lichnowksy begann, sich zunehmend von ihm zu entfremden und stellte schließlich seine Gehaltszahlungen ein, und Beethoven erwog erstmals, Wien langfristig zu verlassen. Neue Kontakte zu weiteren adligen Gönnern und das Eingreifen alter Freunde hielten ihn jedoch weiterhin in der Stadt, und trotz aller widriger Umstände zählt die erste Dekade des neuen 19. Jahrhunderts mit zu Beethovens produktivsten Phasen, in der u.a. auch die 3., 4. und 5. Sinfonie entstanden.

    Das Violinkonzert op. 61 komponierte Beethoven für einen befreundeten Virtuosen namens Franz Clement. Die Uraufführung am 23.12.1806 im Theater an der Wien, von Clement angeblich ohne vorherige Probe(!) gespielt, wurde vom Publikum äußerst wohlwollend aufgenommen:

    „Der vortreffliche Violinspieler Klement spielte unter anderen vorzüglichen Stücken, auch ein Violinconcert von Beethhofen, das seiner Originalität und mannigfaltigen schönen Stellen wegen mit ausnehmendem Beyfall aufgenommen wurde. Man empfieng besonders Klements bewährte Kunst und Anmuth, seine Stärke und Sicherheit auf der Violin, die sein Sclave ist, mit lärmenden Bravo“, vermerkte der Wiener Kritiker Möser, jedoch beurteilt er persönlich nicht alles nur positiv. So schreibt er weiter, dass zwar die Schönheit des Werkes unbestreitbar bliebe, jedoch bemängelt er, dass „der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine, und daß die unendlichen Wiederholungen einiger gemeinen Stellen leicht ermüden könnten“ und dass Beethoven „seine anerkannten großen Talente, gehöriger verwenden, und uns Werke schenken möge, die seinen ersten Symphonien aus C und D gleichen“. Auch, wenn derlei Sätze uns aus heutiger Sicht vielleicht fast mitleidig schmunzeln lassen - Möser spekuliert 1806 mit beinahe überraschender Treffsicherheit über die weitere Entwicklung von Beethovens Stil, jedoch nicht mit der gleichen Hellsichtigkeit über den ewigen Erfolg, den der Komponist damit noch haben sollte.

    „Die Musik könne sobald dahin kommen, daß jeder, der nicht genau mit den Regeln und Schwierigkeiten der Kunst vertraut ist, schlechterdings gar keinen Genuß bey ihr finde, sondern durch eine Menge unzusammenhängender und überhäufter Ideen und einen fortwährenden Tumult einiger Instrumente, die den Eingang charakterisiren sollten, zu Boden gedrückt, nur mit einem unangenehmen Gefühl der Ermattung das Koncert verlasse.“

    Im ersten Satz sind die vier leisen Paukenschläge ein häufiger Anlass zu Diskussionen über die Interpretation. Sollen sie die geistige Aufbruchsstimmung der Französischen Revolution anklingen lassen? Wie schnell sollen sie sein, wie sehr kann man sich auf die Metronomangabe von Beethovens Schüler Carl Czerny verlassen, der ein rasches, militärisches Marschtempo nahelegt? Verschiedene Zeiten und verschiedene Interpreten haben seit jeher unterschiedliche Antworten auf diese Fragen gefunden. Auffallend ist auch, dass die Solovioline erst nach einem ausnehmend langen Orchestertutti, das beide Themen der klassischen Sonatenhauptsatzform bereits vorstellt, mit dem lyrischen, beinahe volksliedhaft schlichten ersten Thema einsetzt.

    Das Larghetto des zweiten Satzes erinnert in seinem empfindsamen Charakter an Beethovens zu früheren Zeitpunkten entstandenen Violinromanzen, während der dritte Satz eine alte Tradition von einem Jagdmotiv im 6/8 Takt als Grundlage für ein tänzerisches Rondo aufgreift.

    Beethoven überarbeitete den Solopart im Folgejahr 1807 mit offenbar einigen deutlichen Abweichungen. Später geriet das Konzert lange beinahe in Vergessenheit, da es trotz großer technischer Hürden wenige Gelegenheiten zur virtuosen Selbstvermarktung bietet. 1844 jedoch führte ein kaum 13-jährigers „Wunderkind“ namens Joseph Joachim Beethovens Violinkonzert mit dem Londoner Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Felix Mendelssohn Bartholdy neu auf und legte damit den Grundstein für seinen festen Platz im heutigen Konzertrepertoire.

    Text: Kari Träder

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Foto: Nikolaj Lund

MENSCHLICHKEIT. Das grüne Festival #5
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